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Vorsicht: Rechtsbruch bei Impfung gegen Corona

Vorsicht: Rechtsbruch bei Impfung gegen Corona
(Montag, 04. Januar 2021)

UPDATE 06.01.2021: s.u.

In Deutschland hat Ende 2020 die Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff Comirnaty begonnen. Das sind sehr gute Neuigkeiten. Angesichts der Impfstoffknappheit wurde überlegt, den Abstand zwischen beiden Impfungen entgegen der Arzneimittelzulassung zu verlängern. Das hätte Millionen Menschen in Deutschland zu Versuchskaninchen gemacht. Es liegt auf der Hand, dass dies ein eklatanter Rechtsbruch gewesen wäre.

Comirnaty wird gemäß der Arzneimittelzulassung in einer Impfserie von 2 Dosen im Abstand von mindestens 21 Tagen verabreicht (Abschnitt 4.2 der Fachinformation/Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, Summary of Product Characteristics, SmPC). Die Wirksamkeitsanalysen des Impfstoffs umfasst Teilnehmer, die ihre zweite Impfung innerhalb von 19 bis 42 Tagen nach ihrer ersten Impfung erhielten (Abschnitt 5.1 der Fachinformation).

Angesichts der derzeitigen Impfstoffknappheit hat Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO), eine Verschiebung der zweiten Impfdosis als "durchaus überlegenswert" bezeichnet (www.tagesschau.de/inland/impfstoff-ema-101.html, abgerufen am 02.01.2020).

Der Verfasser ist über derartige Vorschläge entsetzt. 

Die Umsetzung dieser Vorschläge, die eine zweite Impfung deutlich außerhalb des geprüften Zeitraums von 42 Tagen für die zweite Impfdosen vorsehen, würde Millionen von Deutschen zu Versuchskaninchen machen.

Das wäre ein eklatanter Rechtsbruch.

Gerade nach den schlimmen Erfahrungen aus der Nazizeit mit ihren Menschenversuchen haben sowohl Weltärztebund als auch deutscher und europäischer Gesetzgeber detaillierte Regelungen zur Prüfung von Arzneimitteln aufgestellt. 

Derartige Versuche sind nur zulässig unter Beachtung eines umfangreichen Regelwerkes, u.a. einer behördlichen Genehmigung, der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission, der Aufklärung der Testpersonen und ihrer Einwilligung. 

Nach Ansicht des Verfassers muss der Aufruf zu massenhaften rechtswidrigen Menschenversuchen zum sofortigen Rücktritt des Vorsitzenden der STIKO führen. 

Der Rechtsbruch ist umso verwerflicher, als die zu impfenden Menschen darauf vertrauen, dass sie mit der Impfung einen wirksamen Impfschutz erhalten. Ein solcher ist möglicherweise bei einer Verlängerung des Abstands der zweiten Impfung nicht mehr gewährleistet. Aufgrund des neuen Wirkprinzips nehmen die zu Impfenden mögliche, heute noch unbekannte Nebenwirkungen in Kauf, um gegen SARS-CoV-2 geschützt zu sein. Diese Nutzen-Risiko-Abwägung wäre beim zulassungswidrigen Einsatz des Impfstoffs jedoch hinfällig.  

Genauso entsetzlich ist die Tatsache, dass offensichtlich der Bundesgesundheitsminister in einem Schreiben an den Gesundheitsausschuss des Bundestages derartige Vorschläge in Erwägung zieht (www.tagesschau.de/inland/spahn-impfstrategie-kritik-101.html, abgerufen am 04.01.2020). 

Im Übrigen bezweifelt auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Zulässigkeit der Verlängerung des Abstands zwischen den beiden Impfungen, zumindestens über 42 Tage hinaus (https://www.pharmazeutische-zeitung.de/zweite-corona-impfdosis-nicht-hinauszoegern-122786, abgerufen am 04.01.2020).

Es ist darauf hinzuweisen, dass eine rechtswidrige Verlängerung des Impfstoffabstands nicht nur ein strafbarer Verstoß gegen Arzneimittelrecht wäre, sondern auch den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung erfüllen könnte. 

Aufgrund der Tatsache des völlig neuen Impfprinzips mit möglicherweise bestehenden unbekannte Risiken, kommen beim zulassungswidrigen Einsatz des Impfstoffs auch Amtshaftungsansprüche gegen Bund und Länder in Betracht.  

Nach alledem appelliert der Verfasser an alle politisch Verantwortlichen, sich rechtstreu und medizinisch vernünftig zu verhalten und von derart absurden Vorschlägen sofort Abstand zu nehmen. 

UPDATE 06.01.2021:

"Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat von einem Mix der Impfstoffe abgeraten. Bei der ersten und der zweiten Impfung sollte derselbe Impfstoff verwendet werden, sagt der Minister. Dies empfehle die Ständige Impfkommission. Auch sollte die zweite Impfung gemäß der Zulassung für BioNTech/Pfizer spätestens 42 Tage nach der Erstimpfung erfolgen, betont der CDU-Politiker. Diese Zeitspanne sei von den Herstellern erprobt, und daran müsse man sich auch halten."

www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-coronavirus-mittwoch-163.html#

Insgesamt bietet die Impfung die große – und kurzfristig wahrscheinlich auch einzige – Chance, die Corona–Pandemie erfolgreich bekämpfen zu können.  

Aus medizinischer Sicht haben die derzeit in der EU zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Es sollten sich daher möglichst viele Menschen gegen COVID-19 impfen lassen, zum eigenen Schutz und zur Stärkung der Volksgesundheit.