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Neues von den Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus

Neues von den Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus
(Montag, 27. Juli 2020)

Seit 29.10.2019 regelt die Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung - PpUGV),

Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern vom 28.10.2019, BGBl. I, S. 1492,

schichtbezogen (Tag bzw. Nacht) Pflegepersonaluntergrenzen als Verhältnis von Patienten zu einer Pflegekraft in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern nach § 137i SGB V. Als pflegesensitiv werden Bereiche in Krankenhäusern festgelegt, in denen Leistungen der Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie, Neurologie und Herzchirurgie erbracht werden. Seit 01.04.2020 sind für Verstöße finanzielle Sanktionen angedroht.

Die Erste Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung,

Erste Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung vom 25.03.2020, BGBl. I, S. 596,

setzte die Pflegepersonaluntergrenzen mit Wirkung vom 01.03.2020 bis einschließlich 31.12.2020 aus.

Überraschend hat nun das BMG die Corona-Ausnahme für die Bereiche Intensivmedizin und Geriatrie zum 31.07.2020 beendet. Die entsprechende Änderung findet sich in der Zweiten Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung,

Zweite Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung vom 16.07.2020, BGBl. I, S. 1701,

die am 25.07.2020 in Kraft trat.

Für die Bereiche Unfallchirurgie, Kardiologie, Neurologie und Herzchirurgie gelten die Ausnahmen von den Vorgaben der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung weiterhin bis zum 31.12.2020.

Die Änderung kommt unerwartet und vielleicht auch zur Unzeit.

Zum einen sind in den Krankenhäusern die Dienstpläne für August – auch unter Berücksichtigung der Urlaubszeit – längst geschrieben. Wenn jetzt Mitarbeitern im Gesundheitswesen durch die Änderung Urlaub gestrichen würde, wäre das sehr unklug. Besser wäre es, den Mitarbeitern vor der zweiten Corona-Welle Erholung zu gönnen, damit sie im Herbst/Winter wieder belastbar sind. Alternativ müssten die Krankenhäuser wieder Stationen schließen, um die Pflegepersonaluntergrenzen einhalten zu können.

Zum anderen scheint die Zahl der SARS-CoV-2-Infizierten gerade wieder anzusteigen. Das kommt nach der politisch gewollten schnellen Grenzöffnung und der ersten Welle von Urlaubsrückkehrern aus dem Ausland nicht unerwartet. Falls die Politik den Anstieg der Infizierten nicht stoppen kann, wäre die Wiedereinführung der im März ausgesetzten Pflegepersonaluntergrenzen völlig kontraproduktiv.

Mit Blick auf den zweiten Punkt macht die Änderung fachlich auch keinen Sinn. Denn die Pflegepersonaluntergrenzen müssen bei starker Erhöhung der Patientenzahlen, wie beispielsweise bei Epidemien, nicht eingehalten werden, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PpUGV. Allerdings liegt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes beim Krankenhaus, § 8 Abs. 2 Satz 2 PpUGV. Die von der Bundesregierung versprochene Entlastung des Gesundheitswesens von bürokratischen Belastungen während der Pandemie bleibt nicht nur aus, sondern die Bürokratie nimmt zu.

Insgesamt verstärkt sich der Eindruck, dass die Rechtsstaatlichkeit nach den erweiterten Ermächtigungen des BMG im Pandemiefall nicht gerade gewonnen hat, dass nach anfangs guten und nachvollziehbaren politischen Entscheidungen im weiteren Verlauf der Pandemie Uneinheitlichkeit und Fragwürdigkeit zunehmen, und dass es mit dem – meist nur verbal geäußerten – Dank an das Gesundheitswesen nicht mehr weit her ist. Das sind keine guten Vorzeichen für die Beherrschung einer weiteren Corona-Welle.