Kanzlei Dr. Jäkel – Rechtsanwalt und Arzt, Fachanwalt für Medizinrecht - Kooperation mit Jorzig Rechtsanwälte Berlin . Düsseldorf

 

Kammergericht: ca. 650.000 EUR Schmerzensgeld für Behandlungsfehler

Kammergericht: ca. 650.000 EUR Schmerzensgeld für Behandlungsfehler
(Dienstag, 10. April 2012)

Das Kammergericht Berlin hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass für einen ärztlichen Behandlungsfehler bei einem vierjährigen Kind ca. 650.000 EUR Schmerzensgeld angemessen sind (Urt. v. 16.02.2012 - 20 U 157/10, Juris).

Die Klägerin brach sich im Alter von viereinhalb Jahren bei einem Sturz den linken Arm. Am selben Tag erfolgte unter Maskennarkose eine Operation zur Reposition und eventuellen Fixation der Fraktur. Während der Narkose kam es zu einer sog. Schaukelatmung. Drei Tage später wurde ein Hirnödem festgestellt. Im weiteren Verlauf stieg der Hirndruck trotz Gegenmaßnahmen und konnte erst nach fünf Tagen gesenkt werden.

Eine genauere Darstellung des Verlaufs findet sich in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils (Landgericht Berlin, Urt. v. 15.06.2010 - 35 O 8/08). Nach Einsichtnahme in die Urteilsbegründung wird der Sachverhalt an dieser Stelle detaillierter dargestellt werden.

Die Klägerin leidet aufgrund des Hirnschadens an einem apallischen Syndrom mit erheblichen Ausfallerscheinungen der Großhirnfunktion und einer Tetraspastik. Sie wird über eine PEG-Sonde ernährt und ist auf ständige Pflege angewiesen.

Das Kammergericht hat die Höhe des vom Landgericht Berlin für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes deutlich nach oben korrigiert. Bei der Zumessung der Schmerzensgeldhöhe sind ausschließlich die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Entscheidungen in vergleichbaren Fällen können allenfalls Anhaltspunkte zur Ermittlung der Größenordnung vermitteln.

Zur Überzeugung des Gerichts stand fest, dass die Klägerin in der Lage ist, grundlegende Emotionen, wie Freude, Unwohlsein, Angst zu empfinden und zu äußern. Sie erkennt auch nahestehende Bezugspersonen und reagiert auf diese. Es könne daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin, die im Zeitpunkt der schicksalhaften Operation bereits viereinhalb Jahre alt war, eine Erinnerung an ihren früheren Zustand hat und ihr daher die Beschränktheit und Ausweglosigkeit der jetzigen Situation in gewisser Weise bewusst ist. Das Alter der Klägerin im Zeitpunkt des Schadensereignisses und die Möglichkeit, dass eine, wenn auch noch so rudimentäre Erinnerung an „das frühere Leben" besteht und ihr die jetzigen Einschränkungen in irgendeiner Form bewusst sind, stellen eine Abweichung von den so genannten „Geburtsschadenfällen" dar und rechtfertigen ein höheres Schmerzensgeld.