Kanzlei Dr. Jäkel – Rechtsanwalt und Arzt, Fachanwalt für Medizinrecht - Kooperation mit Jorzig Rechtsanwälte Berlin . Düsseldorf

 

Impfstoff von AstraZeneca auch in Deutschland weiter verkehrsfähig

Impfstoff von AstraZeneca auch in Deutschland weiter verkehrsfähig
(Mittwoch, 17. März 2021)

Die Bundesregierung hat am 15.3.2021 die Corona-Schutzimpfungen mit dem Impfstoff des Herstellers AstraZeneca gestoppt. 

Es handelt sich hierbei um das Arzneimittel COVID-19 Vaccine AstraZeneca Injektionssuspension, COVID-19-Impfstoff (ChAdOx1-S [rekombinant]).

Allerdings ist COVID-19 Vaccine AstraZeneca auch in Deutschland weiterhin verkehrsfähig. Es gibt keine anderslautende Entscheidung der zuständigen Zulassungsbehörde EMA (Europäische Arzneimittelagentur).

Die Bundesregierung argumentiert, es sei ihre Impfkampagne und sie könne daher frei entscheiden, wie und womit geimpft werde.

Zum einen ist der Impfstopp zweifelhaft und zum anderen könnten andere in Deutschland durchaus weiter impfen. 

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat die vorübergehende Aussetzung der Impfung mit COVID-19 Vaccine AstraZeneca nur empfohlen. Diese Empfehlung hat keine rechtliche Bindung.

Die Bundesregierung ist weder zuständig für die Arzneimittelzulassung (das ist die EMA) noch für die Arzneimittelüberwachung (das sind die Überwachungsbehörden der Länder). Arzneimittelrechtlich ist ihr Impfstopp ein Nullum, also nicht existent.

Die Bundesregierung kann allenfalls zu ihrer eigenen Impfstoffkampagne entscheiden. Die Länder oder Ärzte könnten eigene Impfstoffkampagnen mit COVID-19 Vaccine AstraZeneca starten. Das wäre rechtlich zulässig. Insoweit könnte man rechtlich prüfen, ob unter Notstandsgesichtspunkten der Impfstoff aus der Impfkampagne der Bundesregierung beschlagnahmt werden darf. 

Die EMA prüft die Risiken unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Nutzen und Risiko, lässt die Zulassung des Impfstoffs aber nicht ruhen. Das hat die EMA in einer Pressekonferenz am 16.3.2021 ausdrücklich bestätigt. Sie hält den Impfstoff weiterhin für sicher. Eine weitere Entscheidung ist für den 18.3.2021 angekündigt. COVID-19 Vaccine AstraZeneca ist weiterhin in der gesamten EU verkehrsfähig. 

www.tagesschau.de/ausland/europa/ema-astrazeneca-107.html

www.ema.europa.eu/en/news/investigation-covid-19-vaccine-astrazeneca-thromboembolic-events-continues

Auch die für die Arzneimittelüberwachung zuständigen Landesbehörden haben - soweit ersichtlich - keine Einschränkungen verhängt.

Im Übrigen ist die Entscheidung der Bundesregierung zweifelhaft.

Das Arzneimittelgesetz (§ 4 Abs. 27 AMG) definiert das mit der Anwendung des Arzneimittels verbundene Risiko als: 

jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit.

Bei Bewertung und Zulassung eines Arzneimittels kommt es aber nicht allein auf das Risiko an, sondern vielmehr auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis.

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst gemäß § 4 Abs. 28 AMG:

eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko.

Unterstellt man (theoretisch, nur zum Zweck dieser Überlegung) einfach eine Kausalität der 7 in Deutschland pro 1,6 Millionen Impfungen gemeldeten Sinusvenenthrombosen nach Impfstoffgabe, könnte man in der Pandemielage ohne Weiteres zum Ergebnis kommen, dieses Risiko sei angesichts einer potentiell tödlich verlaufenden Krankheit, die mit der Impfung verhindert wird, und angesichts der extrem niedrigen Wahrscheinlichkeit vertretbar. Diese nachvollziehbare Bewertung vertritt offenbar die EMA. 

Es gibt genügend Patienten, die sich trotz der vermuteten Nebenwirkung gern mit COVID-19 Vaccine AstraZeneca impfen lassen würden. Es kommt einfach darauf an, im Rahmen der Aufklärung auf Risiken hinzuweisen.

Unterstellt man die Kausalität, rächt sich nun auch die ehemalige Vorgabe der STIKO, dass vorwiegend junge Personen mit dem Impfstoff zu impfen seien. Obwohl die Arzneimittelzulassung von COVID-19 Vaccine AstraZeneca keine Altersbeschränkung vorsah, hatte die STIKO den Impfstoff nur bis zum Alter von 65 Jahren empfohlen. Die vermutete Nebenwirkung der Sinusvenenthrombose tritt aber gerade im jüngeren Lebensalter (30-50 Jahre) gehäuft auf. In Großbritannien wurde die vermutete Nebenwirkung nicht vermehrt gesehen, obwohl dort mehr als 11 Millionen Menschen mit COVID-19 Vaccine AstraZeneca geimpft wurden, allerdings Personen im höheren Lebensalter.

www.gov.uk/government/news/mhra-response-to-danish-authorities-action-to-temporarily-suspend-the-astrazeneca-covid-19-vaccine

www.gov.uk/government/news/mhra-response-to-irish-authorities-action-to-temporarily-suspend-the-astrazeneca-covid-19-vaccine

Auf diesen Alterszusammenhang hat auch Professor Christian Drosten im NDR Coronavirus-Update Podcast am 16.3.2021 hingewiesen.

www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript278.pdf