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EuGH bestätigt deutsche Vorschriften zu Defekturarzneimitteln

EuGH bestätigt deutsche Vorschriften zu Defekturarzneimitteln
(Mittwoch, 26. Oktober 2016)

Der EuGH hat mit Urteil vom 26.10.2016 entschieden, dass die deutschen Vorschriften zu Defekturarzneimitteln europarechtskonform sind (Rechtssache C-276/15).

Defekturarzneimittel sind grundsätzlich nicht als gewerblich oder als unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet anzusehen. Folglich fallen sie nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie).

Aber selbst wenn im Einzelfall eine Zubereitung unter Anwendung eines industriellen Verfahrens oder gewerblich erfolgte, fielen Defekturarzneimittel jedenfalls - bei Vorliegen der Voraussetzungen - unter die Ausnahmevorschrift des Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG.

Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG regelt:

"Diese Richtlinie gilt nicht für:

[...]

2. in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitete Arzneimittel, die für die unmittelbare Abgabe an die Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind (sog. formula officinalis)."

Über die Zulässigkeit einer Werbung für Defekturarzneimittel hat der EuGH nicht ausdrücklich entschieden.

Fest steht jedoch, dass die Werbung für Defekturarzneimittel auch nach der Richtlinie 2001/83/EG zulässig ist (Art. 87 Abs. 1 der Richtlinie), wenn Defekturarzneimittel weder gewerblich noch unter Anwendung eines industriellen Verfahrens hergestellt werden, sie also gar nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen.

Der Urteilstenor des EuGH lautet:

"Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Humanarzneimittel wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das nach einer nationalen Regelung keiner Zulassung bedarf, weil es aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu 100 abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt ist, vorbehaltlich der tatsächlichen Feststellungen, die dem vorlegenden Gericht obliegen, nicht als im Sinne dieser Bestimmung gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet anzusehen ist und folglich nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

Für den Fall, dass das vorlegende Gericht nach diesen Feststellungen zu der Auffassung gelangt, dass das fragliche Arzneimittel gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet wurde, ist zudem zu antworten, dass Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass er Bestimmungen wie § 21 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln in Verbindung mit § 6 Abs. 1 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken nicht entgegensteht, soweit diese die Apotheker der Sache nach verpflichten, bei der Zubereitung von Arzneimitteln in der Apotheke die Pharmakopöe zu beachten. Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob in dem Sachverhalt des ihm unterbreiteten Einzelfalls das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arzneimittel nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitet wurde."