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EuGH: Vertragsverletzung durch Arzneimittelimport ohne Zulassung

EuGH: Vertragsverletzung durch Arzneimittelimport ohne Zulassung
(Mittwoch, 11. April 2012)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Polen mit einer bestimmten Importregelung des polnischen Arzneimittelgesetzes gegen den Gemeinschaftskodex verstößt (Urt. v. 29.03.2012 - Rs. C-185/10). Nach dieser Regelung sind aus dem Ausland importierte Arzneimittel von der Zulassungspflicht befreit, wenn sie im Vergleich zum Preis von in Polen zugelassenen Arzneimitteln mit denselben Wirkstoffen, derselben Dosierung und derselben Darreichungsform wettbewerbsfähig sind.

Zwar ist weitere Voraussetzung, dass ein Arzt der Krankenversicherung den Bedarf festgestellt hat, der Bedarf von einem in dem betreffenden medizinischen Bereich tätigen Facharzt bestätigt wurde und der Gesundheitsminister durch Verwaltungsakt der Einfuhr dieser Arzneimittel zugestimmt hat.

Allerdings beschränkt sich die Einfuhr nicht auf Einzelfälle, sondern sie lässt den Import in größerem Umfang zu.

Die Europäische Kommission wendet sich mit ihrer Rüge nicht gegen die Möglichkeit eines Einzelimports in einem dringlichen Ausnahmefall. Die Mitgliedstaaten können gemäß Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG für besondere Bedarfsfälle im Einzelfall Ausnahmen zulassen. Davon hat Deutschland beispielsweise mit § 73 Abs. 3 AMG Gebrauch gemacht. Die Europäische Kommission wendet sich vielmehr dagegen, dass das polnische Arzneimittelgesetz einen Import ausländischer Arzneimittel ohne Zulassung beim Vorliegen eines „wettbewerbsfähigen Preises" vorsieht.

Auch der EuGH stellt in seiner Entscheidung auf Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG ab, weist aber darauf hin, dass Ausnahmevorschrift eng auszulegen seien. Der Begriff „besondere Bedarfsfälle" in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG beziehe sich allein auf aus medizinischen Gründen gerechtfertigte Einzelfälle und setze voraus, dass das Arzneimittel erforderlich ist, um den Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden. Ferner bedeute das Erfordernis, dass die Arzneimittel „auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde", geliefert werden müssten, dass das Arzneimittel vom Arzt nach einer tatsächlichen Untersuchung seiner Patienten und aufgrund rein therapeutischer Erwägungen verschrieben worden sein müsse.

Aus dem Gesetzeszweck der Richtlinie ergäbe sich daher, dass die genannte Ausnahme nur Situationen betreffen könne, in denen nach Ansicht des Arztes der Gesundheitszustand seiner einzelnen Patienten die Verabreichung eines Arzneimittels erfordere, für das es auf dem nationalen Markt kein zugelassenes Äquivalent gäbe oder das auf diesem Markt nicht verfügbar sei. Seien hingegen Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen, derselben Dosierung und derselben Darreichungsform auf dem nationalen Markt zugelassen, könne von einem solchen besonderen Bedarfsfall nicht die Rede sein.

Die Ausnahmevorschrift des polnischen Arzneimittelgesetzes erfülle folglich nicht die in Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG aufgestellten Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung.

Daher liege eine Vertragsverletzung der Republik Polen vor.