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Bundesverwaltungsgericht: Arzneimittelversorgung eines Krankenhauses - zwei bis drei Stunden sind zu lang

Bundesverwaltungsgericht: Arzneimittelversorgung eines Krankenhauses - zwei bis drei Stunden sind zu lang
(Donnerstag, 30. August 2012)

Das BVerwG hat entschieden, dass der Vertrag eines Krankenhauses über die Arzneimittelversorgung nicht genehmigt werden kann, wenn die versorgende Apotheke zu weit vom Krankenhaus entfernt liegt (hier: 216 km). Nicht viel mehr als eine Stunde sollte die Arzneimittelbereitstellung nach Expertenmeinungen in Anspruch nehmen. Zwei bis drei Stunden Versorgungsdauer sind jedenfalls nicht genehmigungsfähig (BVerwG, Urt. v. 30.08.2012 - 3 C 24.11, Pressemitteilung 85/2012 vom 30.08.2012).

Die Entscheidung der Vorinstanz (OVG Münster, Urt. v. 19.05.2011 - 13 A 123/09) wurde aufgehoben.

PRAXISTIPP: siehe unten

Krankenhäuser können selbst eine Krankenhausapotheke betreiben oder sich von einer anderen Krankenhausapotheke oder krankenhausversorgenden (öffentlichen) Apotheke mit Arzneimitteln beliefern lassen. Für diese Versorgung ist ein schriftlicher Vertrag notwendig, der zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde bedarf.

Im konkreten Fall klagte ein Krankenhaus in Münster mit krankenhauseigener Apotheke in Ahlen gegen die Versagung der Genehmigung eines Versorgungsvertrages, mit dem ein Krankenhaus in Bremen versorgt werden sollte. Die Entfernung zwischen Apotheke und dem Bremer Krankenhaus betrug 216 km.

Die Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung lagen nicht vor. So sei u. a. erforderlich, dass die krankenhausversorgende Apotheke Arzneimittel, die das Krankenhaus zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigt, unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung stellen kann.

Unverzüglichkeit im Sinne des § 14 Abs. 5 ApoG verlange, dass die benötigten Arzneimittel im Eilfall zeitnah im Krankenhaus bereitstehen müssten. Das bedinge zwingend, dass die Apotheke in räumlicher Nähe zum Krankenhaus liegen müsse. Neben weiteren Faktoren - wie etwa der Beschaffenheit der Verkehrsanbindung - bestimme die Länge des Transportweges die Transportdauer maßgeblich.

Das Erfordernis der Ortsnähe könne auch nicht dadurch kompensiert werden, dass im Krankenhaus ein Notfalldepot eingerichtet werde, in dem selten gebrauchte lebenswichtige Arzneimittel vorgehalten und bei Bedarf an die Stationen im Krankenhaus abgeben würden. Ein solches Depot, das von Gesetzes wegen eine Apotheke nicht ersetzen dürfe, könne nicht allen denkbaren medizinischen Notfallsituationen Rechnung tragen.

Die Genehmigungsvoraussetzung einer unverzüglichen Arzneimittelbelieferung bezwecke aber, gerade auch für Fälle eines plötzlich auftretenden, nicht absehbaren Bedarfs die zeitnahe Bereitstellung dringend benötigter Arzneimittel durch die Apotheke sicherzustellen.

Das sei im entschiedenen Fall nicht gegeben. Die Behörde habe daher die Genehmigung des Versorgungsvertrages zu Recht abgelehnt. Bei der Entfernung der Apotheke in Ahlen zum Krankenhaus in Bremen von 216 km und einem zudem stauanfälligen Transportweg (Bundesautobahn A1) sei eine unverzügliche Medikamentenbereitstellung nicht mehr gewährleistet.

Als Anhaltspunkt seien fachliche Einschätzungen (u. a. Empfehlungen der Bundesapothekerkammer, des Bundesverbands der klinik- und heimversorgenden Apotheker und des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker) heranzuziehen, nach denen die Arzneimittelbereitstellung nicht viel mehr als eine Stunde in Anspruch nehmen sollte.

Ein Arzneimittelversorgungsvertrag sei jedenfalls bei einer Lieferzeit zum Krankenhaus von zwei bis drei Stunden nicht genehmigungsfähig.

Darüber hinaus erfülle der Versorgungsvertrag bei der gegebenen Entfernung auch nicht die weitere Genehmigungsvoraussetzung, dass das Krankenhauspersonal durch den Leiter der Krankenhausapotheke (oder einem von ihm beauftragten Apotheker der versorgenden Apotheke) im Bedarfsfall unverzüglich vor Ort im Krankenhaus pharmazeutisch beraten werden muss.

PRAXISTIPP: Die Entscheidung stellt nicht auf die absolute Kilometerzahl ab. Vielmehr geht es um die benötigte Zeit der Arzneimittelversorgung in dringenden Fällen. Zwei bis drei Stunden sind dafür jedenfalls zu lang. Es kommt also immer auf die Gegebenheiten des Einzelfalls an. Das BVerwG hat sich zwar an der Expertenempfehlung „nicht viel mehr als eine Stunde" orientiert, es ist aber nach der Pressemitteilung nicht erkennbar, ob eine Arzneimittelversorgung von knapp zwei Stunden genehmigungsfähig sein kann. Sobald die schriftliche Begründung des Gerichts vorliegt, wird diese daraufhin zu analysieren sein. In jedem Fall kommt es darauf an, gegenüber der Genehmigungsbehörde mit den Besonderheiten des Einzelfalls zu argumentieren. Unter Umständen stellen Genehmigungsbehörden jetzt aber auch Altverträge auf den Prüfstand.

Die einschlägigen Vorschriften des § 14 Abs. 3 bis 5 Apothekengesetz lauten:

"(3) Wer als Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Krankenhausapotheke nach Absatz 1 beabsichtigt, ein weiteres, nicht von ihm selbst getragenes Krankenhaus mit Arzneimitteln zu versorgen, hat dazu mit dem Träger dieses Krankenhauses einen schriftlichen Vertrag zu schließen.

(4) Wer als Träger eines Krankenhauses beabsichtigt, das Krankenhaus von dem Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke nach § 1 Abs. 2 oder nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum versorgen zu lassen, hat mit dem Inhaber dieser Erlaubnis einen schriftlichen Vertrag zu schließen. Erfüllungsort für die vertraglichen Versorgungsleistungen ist der Sitz des Krankenhauses. Anzuwendendes Recht ist deutsches Recht.

(5) Der nach Absatz 3 oder 4 geschlossene Vertrag bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass das Krankenhaus mit einer Apotheke nach Absatz 3 oder 4 einen Vertrag über die Arzneimittelversorgung des Krankenhauses durch diese Apotheke geschlossen hat, der folgende Voraussetzungen erfüllt:

1. die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung ist gewährleistet, insbesondere sind die nach der Apothekenbetriebsordnung oder bei Apotheken, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, nach den in diesem Staat geltenden Vorschriften erforderlichen Räume und Einrichtungen sowie das erforderliche Personal vorhanden;
2. die Apotheke liefert dem Krankenhaus die von diesem bestellten Arzneimittel direkt oder im Falle des Versandes im Einklang mit den Anforderungen nach § 11a;
3. die Apotheke stellt Arzneimittel, die das Krankenhaus zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigt, unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung;
4. eine persönliche Beratung des Personals des Krankenhauses durch den Leiter der Apotheke nach Absatz 3 oder 4 oder den von ihm beauftragten Apotheker der versorgenden Apotheke erfolgt bedarfsgerecht und im Notfall unverzüglich;
5. die versorgende Apotheke gewährleistet, dass das Personal des Krankenhauses im Hinblick auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie von ihr kontinuierlich beraten wird;
6. der Leiter der versorgenden Apotheke nach Absatz 3 oder 4 oder der von ihm beauftragte Apotheker ist Mitglied der Arzneimittelkommission des Krankenhauses.

Eine Genehmigung der zuständigen Behörde ist auch für die Versorgung eines anderen Krankenhauses durch eine unter derselben Trägerschaft stehende Krankenhausapotheke erforderlich. Für die Erteilung der Genehmigung gilt Satz 2 entsprechend."